"Leni Riefenstahl"
Bis 2. März 2002

Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland

Strafanzeige und heftige Kritik an Riefenstahlausstellung im Haus der Geschichte

Die unmögliche Kunst im Faschismus

Über die „bekannteste deutsche Regisseurin“

von Thomas Günther

Das bundeseigene Haus der Geschichte in Bonn ehrt Leni Riefenstahl mit einer Ausstellung. Bis zum 2. März sind über dreihundert Exponate aus dem Leben und Werk der NS-Künstlerin zu sehen. Gegen die Ausstellungsmacher ist eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Bonn eingegangen. Diese richtet sich gegen die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole.

Zu dieser Anzeige führte das Veranstaltungsplakat, welches großformatig an der Fassade des Geschichtshauses hängt. Es zeigt ein Foto, welches 1934 bei den Dreharbeiten zu dem Film „Triumph des Willens“ aufgenommen wurde. Dieses Hauptwerk von Riefenstahl wurde auf dem Nürnberger Reichsparteitag der NSDAP gedreht.

Auf dem Plakat dominiert ein übergroßer Adler mit einem Hakenkreuz, welches zur Hälfte sichtbar ist. Daneben steht die im Vergleich sehr kleine Riefenstahl. Sie steht mit dem Hakenkreuzadler zusammen auf einem Sockel. Der Betrachter kann der glorifizierenden Perspektive nicht entgehen, denn das faschistische Symbol und Riefenstahl wirken immer groß und überragend. Eine kritische Distanzierung ist so von beiden nicht möglich.

Hier wird sie als „bekannteste deutsche Regisseurin“ gefeiert. Was sie bekannt gemacht hat, wird dabei nur ungenügend analysiert. Kritische Distanz ist gar nicht das Motiv der Ausstellungsmacher, sondern sie möchten Riefenstahl auf dem Sockel stehen lassen, auf den sie von den Nazis gehievt wurde. Das Logo des Museums, welches aus den Farben schwarz-rot-gold besteht, könnte auf dem Veranstaltungsplakat den Eindruck einer Kontinuität erwecken.

Ralph Giordano, Günter Wallraff, der Riefenstahl-Biograph Jürgen Trimborn (Rezension in: Freitag 35/2002) und andere Schriftsteller richteten einen offenen Brief an die Kulturstaatsministerin Christina Weiss. In diesem stellen sie fest, dass durch die Ausstellung den fiktiven kulturellen Leistungen des Faschismus ein Forum gegeben wird. Sie kritisierten besonders Eröffnungsrede von Hilmar Hoffmann, dem ehemaligen Präsidenten des Goethe-Institutes. Die Schriftsteller meinten in ihrem offenen Brief, er habe eine „Lobrede auf eine der bekanntesten Kollaborateurinnen des NS-Regimes“ gehalten.

Hoffmann bezeichnete in seiner Laudatio Riefenstahl als „cineastisches Genie“ mit „künstlerischem Talent“, welches lediglich von den Nazis missbrauch worden sei. Er plädierte für eine „überfällige Neubewertung“ der Regisseurin „auch in politischer Hinsicht“. Des weiteren verglich er in der Eröffnungsrede die faschistischen Filme von Riefenstahl mit den russischen Filmen von Eisenstein und Dowshenko. Hier zeigt sich eine neue Folge der Serie von unsäglichen historischen Vergleichen im Rahmen einer Geschichtsrelativierung.

Wenn auch die Ausstellungsmacher behaupten, eine Auseinandersetzung mit der Rolle von Riefenstahl im Faschismus zu betreiben, so kommt diese eindeutige Distanzierung den Kritikern der Veranstaltung wesentlich zu kurz. Riefenstahl erzählte in diesem Jahr anlässlich ihres 100. Geburtstages, dass sie 1932 Hitler im Berliner Sportpalast „erlebt“ habe und das dies die erste politische Veranstaltung gewesen sei die sie je besucht habe: Sie erlebte also ihre primäre Politisierung durch die Nationalsozialisten. Wie kommt man dazu 1932 einer faschistischen Veranstaltung beizuwohnen? Der triumphierende freie Wille? Zwang kann es zumindest nicht gewesen sein. Gerade die Außerkraftsetzung eines freien Willens durch Zwang haben viele Täter für sich, nicht als Entschuldigung, sondern als Rechtfertigung in Anspruch genommen.

So sah sich Riefenstahl immer für unschuldig, was sie mit einer juristischen Prozessfreudigkeit nachdrücklich äußerte. Und tatsächlich ist das Schreiben der Entnazifizierungsbehörde als Exponat in der Bonner Ausstellung zu sehen. Auf ihm wurde sie 1949, nachdem sie kurz unter Arrest stand, als „Mitläuferin“ eingestuft - wie so viele andere. Weder die von ihr inszenierte Masse, noch Riefenstahl wollen für den Faschismus verantwortlich sein. Die einzelnen Menschen dieser Menge meinen zumeist zu jeglicher Tat gezwungen worden zu sein, falls sie zugeben überhaupt etwas damit zu tun gehabt zu haben. Für andere ging es angeblich nur um Kunst, Ästhetik und Filmtechnik.

In der Analyse des Dritten Reiches taucht ebenso wie bei der Betrachtung der Aktivitäten von Riefenstahl häufig ein Scheinwiderspruch auf: Die Verwendung technischen Fortschritts in einer rückwärtsgewandten Ideologie. Dabei weckt das Haus der Geschichte Begeisterung an den neuen Filmtechniken von Riefenstahl in den dreißiger Jahren. Aber sind diese nicht im generellen Zusammenhang mit den faschistischen Herrschafts- und Vernichtungstechniken zu betrachten? Oder anders herum: Kann man diese überhaupt voneinander trennen?

Der Nationalsozialismus war in keiner Weise ästhetisch. Dies schrieben einige Demonstranten, die zur Ausstellungseröffnung gekommen waren, auf ihre Plakate. Viele Polizisten waren auch angereist, hatten aber kaum Interesse an der Ausstellung. Darüber, ob den Ausstellungsmachern die große Aufmerksamkeit für ihr Museum befürworten oder sogar durch ein streitbares Plakat und einer inhaltlich provokativen Laudatio forciert haben, kann spekuliert werden. Riefenstahls Werk erlebt zumindest eine verstärkte Betrachtung. Das bundeseigene Haus der Geschichte spricht sogar schon von einem „Comeback“. Zu hoffen ist jedoch, dass „Triumph des Willens II“ oder ein Remake des faschistischen Propagandafilms der Welt erspart bleibt.