|
Ignacio
Ramonet: Kriege des 21. Jahrhunderts
Rotpunktverlag,
Zürich 2003
220 Seiten
in taz, die tageszeitung
vom 25.03.2003
|
|
 |
Plädoyer für eine bessere Welt
Ignacio Ramonet zeigt die Verbindungen zwischen neoliberaler Globalisierung,
Terror und Krieg auf - und bleibt dennoch optimistisch von Thomas Günther
Auch wenn im Augenblick alles im Zeichen des dritten Golfkriegs steht
- die Debatte um die "Neuen Kriege" geht weiter. Welche internationalen
Dimension sie haben, beschreibt Ignacio Ramonet in seinem neuen Buch "Kriege
des 21. Jahrhunderts". Ausgehend vom 11. September betrachtet er
dabei den weltweiten Terrorismus und die Vormachtstellung der USA vor
dem Hintergrund der neoliberalen Globalisierung.
Ramonet, selbst einer der Gründerväter von Attac, sieht seit
den Angriffen auf das World Trade Center die Globalisierungskritiker in
einer Krise. Denn: Ihre zentrale Forderung, eine Besteuerung von internationalen
Finanztransfers, habe durch den Terroranschlag einen unangenehmen Beigeschmack
bekommen. Da die Täter ihre Motive nie erklärt haben, werde
der Anschlag oft in Verbindung mit den sozialen Missständen gebracht,
die aus der Globalisierung resultierten. Diese Kritik werde seitdem im
öffentlichen Diskurs überdeckt vom propagandistischen Kampf
gegen den Terrorismus.
Ramonet verweist darauf, dass all jene Bewegungen des Terrorismus bezichtigt
würden, die berechtigt oder unberechtigt die staatliche Ordnung umstoßen
wollten. Es hieße dann schlicht: "Fast alle politischen Zirkel
haben sich im Laufe der Geschichte irgendwann auf den Terrorismus als
Prinzip des politischen Handelns berufen."
Dagegen weist Ramonet auf einen interessanten Zusammenhang zwischen dem
neuen Terrorismus à la al-Qaida und der der neoliberalen Globalisierung
hin: Während staatliche Strukturen und die Politik geschwächt
würden, gewännen Netzwerksstrukturen an Bedeutung. In diesem
Sinne sei auch al-Qaida stark an die bestehende Form der Globalisierung
angepasst.
Gerade die USA arbeiteten bekanntermaßen in verschiedenen Konflikten
auf der Welt mit Terroristen zusammen, so auch früher mit Ussama
Bin Laden, als er noch gegen die Sowjetunion kämpfte. Nun, da er
sich als ein Frankensteinsches Monster erwiesen habe, das sich gegen den
Schöpfer wende, und da die Sowjetunion zusammengebrochen ist, sei
der "terroristische" radikale Islamismus der willkommener Widersacher,
der Aufrüstung und militärische Interventionen rechtfertigen
ließe.
In diesem Sinne haben die Amerikaner den "Krieg gegen den Terrorismus"
konsequent auf den Irak ausgedehnt - obwohl Bush die Gründe für
den Krieg, den Einfluss des islamischen Fundamentalismus und Saddams Verbindungen
zu Bin Laden, nie beweisen konnte.
Als Krieg neuen Typs beschreibt Ramonet auch den Kosovokrieg. Er ging
aus keiner Bedrohungssituation hervor, sondern wurde als "moralische
Pflicht" verstanden. Die Politik der "null Toten" war der
höchste Imperativ - in Bezug auf die alliierten Angreifer. Auf Seiten
der Serben sah dies ganz anders aus. Die Region wurde um 20 Jahre zurückgebombt.
Die ungleichen Kräfteverhältnisse sind für Ramonet ein
Kennzeichen dieser neuen Kriege.
Klar sei: Kriege zielen im Zeitalter der Globalisierung weniger auf die
Eroberung von Ländern als auf die von Märkten. Eroberte Gebiete
sind langfristig politisch nicht haltbar, militärisch gefährlich
und finanziell kostspielig. Gleichzeitig werden neoliberale Ziele mit
den neuen Kriegen durchgesetzt.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Stärkung der Vormachtstellung
der USA. Nach dem Untergang der Sowjetunion sind sie als einzige Weltmacht
verblieben. Ramonet sieht sie durch den 11. September nicht geschwächt,
sondern gestärkt: Es gelang den Vereinigten Staaten durch die Solidaritätserklärungen
aus aller Welt die Politik anderer Länder stärker an die eigenen
Vorhaben zu binden. (Einschränkend muss man sagen: Das Buch wurde
vor dem Irakkrieg veröffentlicht.)
Trotz seiner zugespitzten Thesen zieht Ramonet ein positives Fazit: Eine
andere Welt, ja eine bessere Welt sei möglich - ohne dass er im Einzelnen
ausführt, wie sie aussehen sollte. Nur so viel: Während im Hier
und Jetzt die Probleme umrissen werden, lockt eine Zukunft, in der der
Mensch das Ruder in die eigene Hand nimmt und das sozial wie ökologisch
zerstörerische System besiegt. So wären die neoliberale Globalisierung
und die Kriege zu überwinden. Das klingt wunderbar. Über den
Weg dahin hätte man aber gern etwas mehr gelesen.
Ignacio Ramonet: "Kriege des 21. Jahrhunderts. Die Welt vor neuen
Bedrohungen", aus dem Französischen von Birgit Althaler, 220
Seiten, Rotpunktverlag, Zürich 2003, 19,80
|