Heike
Walk und Nele Boehme (Hrsg.): Globaler Widerstand
Westfälisches Dampfboot, Münster 2002
221 Seiten
Heike
Walk und Achim Brunnengräber: Die Globalisierungswächter
Westfälisches Dampfboot, Münster 2000
336 Seiten
in
GWR
vom Oktober 2002
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Das Klima des Aufbruchs
von Thomas Günther
Mit Seattle und Genua ist eine Post-"Neue soziale Bewegung"
in die massenmediale Betrachtung getreten. Besonders nach den gewalttätigen
Ereignissen in Genua (vgl. dazu: GWR 261, September 2001) wurde ein Automatismus
sichtbar: Die mediale Aufmerksamkeit die den "Globalisierungsgegnern"
geschenkt wird, ist abhängig von der Härte der Auseinandersetzung.
Das vermittelte Bild wird keineswegs der widersprüchlichen Vielfältigkeit
dieser Bewegung(en) gerecht. So macht es Sinn sich in der Betrachtung
von der Folie der massenmedialen Simplizität zu verabschieden.
In Folge der öffentlichen Aufmerksamkeit ist eine recht umfangreiche
und tiefergehende Publikationstätigkeit, insbesondere von Sammelbänden
eingetreten. Einer von diesen ist "Globaler Widerstand", herausgegeben
von Heike Walk und Nele Boehme. Der in dem Buch dann doch umstrittene
Untertitel lautet: "Internationale Netzwerke auf der Suche nach Alternativen
im globalen Kapitalismus". Für Elmar Altvater (FU Berlin; "Grenzen
der Globalisierung") bedeutet dies, dass eine Alternative außerhalb
des Kapitalismus nicht zur Debatte steht. Alle Aktivitäten der Globalisierungskritiker
und Globalisierungskritikerinnen laufen seiner Meinung nach auf ein "reformistisches
Regelwerk" hinaus. Sie wollen "den kapitalistischen Kern der
Globalisierung nicht erst knacken … bevor die Forderungen aufgebracht
und in Protestdemonstrationen in die Öffentlichkeit getragen werden".
Diese Einschätzung wird von Dieter Rucht (Bewegungsforscher aus
Berlin) nicht geteilt. Er sieht die Frage, ob es um einen Widerstand im
oder gegen den Kapitalismus geht, nicht geklärt. Vielmehr bezweifelt
er das durch kleine Kursänderungen im neoliberalen Globalisierungsprozess
den Forderungen der Kritiker und Kritikerinnen an diesem Prozess entsprochen
werden kann. Des weiteren versucht Rucht öffentlich erzeugte Mythen
über die globalisierungskritische Bewegung zu entschlüsseln.
Entgegengesetzte Auffassungen funktionieren auch bei der globalisierungskritischen
Bewegung nicht als Spaltungslinien. Besonders in ihrer Offenheit - die
häufig bemängelt wird, da mit ihr eine vielschichtige Unbestimmtheit
einhergeht - liegt ihre Stärke, ebenso in dem Interesse sich nicht
nur mit globalen, neoliberalen Entwicklungen auseinander zu setzen, sondern
auch mit sich selbst. Dies meint der Untertitel mit der "Suche nach
Alternativen". Dem kommt auch die Funktion eines Sammelbandes nach,
da es nicht darum geht zu schreiben was die Globalisierungskritiker und
Globalisierungskritikerinnen sind, sondern wohin sie aufbrechen möchten
und an welche Bewegungen der Vergangenheit sie anknüpfen können.
Dabei klingen auch einige kritische Aspekte und Fragestellungen in der
Auseinandersetzung mit der Globalisierungskritik an.
Es wird keine geschlossene Theorie präsentiert, sondern auch gegensätzliche
Einschätzungen vertreten. Trotzdem bestehen die Texte nicht aus einer
Diskussion unter Eingeweihten. Die Publikation bleibt offen für Leser/innen,
die sich nicht sehr intensiv mit dem globalen Protest auseinandergesetzt
haben. Es ist ein gut gelungenem Brückenschlag zwischen wissenschaftlichen
Maßstäben und der Orientierung an allgemeiner Verständlichkeit.
Damit einhergehend werden Berührungspunkte zwischen kritischer Wissenschaft
und Aktiven der globalisierungskritischen Bewegung gefunden. Der - erst
kürzlich verstorbene - französische Soziologe Pierre Bourdieu
(siehe Nachruf in: GWR 267, März 2002) beschreibt wie diese Kooperation
aussehen kann und vertritt vehement die Auffassung, dass Wissenschaftler
und Wissenschaftlerinnen angesichts der drastischen gesellschaftlichen
Auswirkungen neoliberaler Globalisierung nicht nur das Recht haben, sondern
auch in der Pflicht stehen, sich aus ihrem "Elfenbeinturm" zu
begeben. Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Durchdringung der
Forschungsseinrichtungen von der neoliberalen Logik, wird dieser Aspekt
zunehmend relevant.
Rädchen oder Sand im Getriebe?
Die Bedeutung und Rolle kapitalismuskritischer Kräfte bleibt in "Globaler
Widerstand" offen. Stattdessen taucht von Walk ein - nicht näher
erläuterter - Zivilgesellschaftsbegriff auf. Steht er nun affirmativ
im Raum, oder meint er mehr als bürgerliche Partizipation? Und wie
verhält sich dieser Begriff angesichts globaler und hiesiger ungleicher
Ressourcenverteilung? Ein Teil der Antworten werden von Walk zusammen
mit Achim Brunnengräber in "Die Globalisierungswächter"
gegeben. Dieses Buch ist vor den öffentlich beachteten weltweiten
Protesten an der neoliberalen Globalisierung erschienen.
Hier wird, neben einer ausführlichen Darstellung der Nichtregierungsorganisationen
(NGOs) in der Auseinandersetzung um die Klimapolitik, ein Überblick
über den schwammig gewordenen Zivilgesellschaftsbegriff gegeben.
Sie stellen fest, dass sie nicht a priori in eine bestimmte Richtung wirkt,
sondern eher als Konfliktfeld zu betrachten ist, in dem konkrete Akteure
wirken. Die NGOs mit ihren ambivalenten Funktionen zwischen Legitimationsbeschaffer
und Opposition verdeutlichen dies. Walk und Brunnengräber sehen in
den NGOs am Beispiel der Klimapolitik ein Demokratisierungspotenzial durch
die Verstärkung einer "Weltöffentlichkeit". Doch weder,
so ihr Resümee, reichen die Partizipationsmöglichkeiten aus,
noch kann eine ernsthafte Kontrolle der "vermachteten internationalen
Politikprozesse" beobachtet werden.
Bei der internationalen Aushandlung der Klimapolitik wird deutlich, wie
die zunehmende Komplexität in der Auseinandersetzung Fachwissen auf
Seite der Protestierenden voraussetzt. Dies schränkt Emanzipationsmöglichkeiten
ein, da eine Bewegung dieser Funktion nur bedingt gerecht werden kann.
Die angestrebte gesellschaftliche Veränderung kann auf dieser Ebene
nicht erzwungen werden, da mit der Einbeziehung Weniger selektive Schließungsprozesse
einhergehen. Und hier kommt die allzu häufig verachtete Masse, ihre
Kultur und die Medien mit ihr zu kommunizieren gegenüber den ungenügend
demokratisch legitimierten internationalen Entscheidungsgremien wieder
ins Spiel.
Heike Walk und Nele Boehme (Hrsg.): Globaler Widerstand - Internationale
Netzwerke auf der Suche nach Alternativen im globalen Kapitalismus, Münster
2002, Verlag Westfälisches Dampfboot, 221 Seiten
Heike Walk und Achim Brunnengräber: Die Globalisierungswächter
- NGOs und ihre transnationalen Netze im Konfliktfeld Klima, Münster
2000, Verlag Westfälisches Dampfboot, 336 Seiten
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